Leitsatz:
Für einen auf § 4 Abs. 1 IFG NRW gestützten Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht in die eigenen Steuerakten ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 6.18
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VG Düsseldorf – 22.01.2018 – AZ: VG 29 K 8/17
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OVG Münster – 08.03.2018 – AZ: OVG 15 E 100/18
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. September 2018
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und Dr. Löffelbein
beschlossen:
- Die weitere Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2018 wird zurückgewiesen.
- Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Gründe
I
1Die Kläger klagen unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) auf Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Akteneinsicht in ihre Steuerakten (Einkommensteuer und Umsatzsteuer) für die Steuerjahre 1999 bis 2005 zu Beweiszwecken in einem finanzgerichtlichen Verfahren.
2Das Verwaltungsgericht hat auf die Rüge des Beklagten mit Beschluss vom 22. Januar 2018 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht Düsseldorf verwiesen. Die Beschwerde der Kläger hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. März 2018 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene weitere Beschwerde der Kläger.
II
3Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO statthafte und im Übrigen auch zulässige weitere Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Für die auf Einsichtnahme in die eigenen Steuerakten gerichtete Klage ist nach zutreffender Ansicht der Vorinstanzen nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.
4Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch liegt in ihrem Steuerrechtsverhältnis begründet, so dass die Sonderzuweisung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten an die Finanzgerichte nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO verdrängt.
5Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 33 Abs. 2 FGO – soweit hier von Bedeutung – „alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten“. Damit wird keine umfassende behördenbezogene Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit für die gesamte öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Finanzbehörden begründet. Vielmehr muss die Angelegenheit gerade mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften verknüpft und dadurch geprägt sein. Die Gewährung von Einsicht in Steuerakten und die Auskunft über steuerliche Daten ist eine Abgabenangelegenheit im Sinne von § 33 Abs. 2 FGO, wenn über sie auf der Grundlage steuerverfahrensrechtlicher Regelungen zu entscheiden ist oder wenn die betreffenden Begehren im Steuerrechtsverhältnis wurzeln und insoweit mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang stehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 7 B 2.12 – Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 307 Rn. 13 f.). Das ist hier der Fall. Über den Auskunftsanspruch ist zwar nicht nach steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften zu entscheiden. Das Begehren der Kläger wurzelt aber in einem Steuerrechtsverhältnis.
6Der geltend gemachte Einsichtsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW steht als bereichsübergreifend ausgestalteter außersteuerrechtlicher Anspruch grundsätzlich eigenständig neben verwaltungsverfahrensrechtlichen Akteneinsichtsansprüchen und somit auch neben einem derartigen Anspruch auf der Grundlage der Abgabenordnung. Insoweit fehlt es ihm an einem Bezug auf das Abgabenverhältnis. Dies bedeutet entgegen der Auffassung der Beschwerde allerdings nicht, dass „stets nur das Verwaltungsgericht für einen Streit über dessen Durchsetzung zuständig (ist)“. Die Gewährung von Einsicht in Steuerakten und die Auskunft über steuerliche Daten ist – wie dargelegt – vielmehr dann eine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 Abgabenordnung (AO), wenn das Begehren im Steuerrechtsverhältnis wurzelt und insoweit mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang steht (BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 7 B 2.12 – Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 307 Rn. 14). Der Bezug des Informationsbegehrens der Kläger zum Abgabenrecht ist hier – wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben – deswegen gegeben, weil die Kläger den informationsrechtlichen Anspruch als unmittelbar am Steuerverwaltungsverfahren Beteiligte (§§ 78, 359 AO) und Kläger in einem finanzgerichtlichen Verfahren gegen einen ihnen gegenüber ergangenen Steuerbescheid geltend machen. Anders als in dem dem Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 7 B 2.12 – (Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 307) zugrunde liegenden Verfahren, in dem der Auskunftsanspruch eines Insolvenzverwalters wegen eines Anfechtungsverfahrens nach § 129 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) geltend gemacht wurde, wehren sich die Kläger vor dem Finanzgericht gegen Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs. 2 AO. Abrechnungsbescheide sind ein Instrument der Finanzbehörden, mit dem sie über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis betreffen, entscheidet. Sie sind dem Steuererhebungsverfahren zuzuordnen. Insoweit wurzelt der geltend gemachte Anspruch in einem Steuerrechtsverhältnis und stellt ein Annexverfahren zu diesem dar. Angesichts dessen vermag auch der Einwand der Beschwerde, der Gesichtspunkt der Sachnähe streite auch im vorliegenden Fall für die Zuständigkeit der (allgemeinen) Verwaltungsgerichtsbarkeit, nicht zu überzeugen.
7Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Sie ist nicht gemäß § 17b Abs. 2 GVG entbehrlich, weil die Kosten im „Verfahren vor dem angegangenen Gericht“ nur die Kosten des erstinstanzlichen Gerichts sind (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2013 – 9 B 37.12 – Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 308 m.w.N.). Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da für Beschwerden der vorliegenden Art nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG eine Festgebühr von 60 € erhoben wird.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht
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